Wenn sich Eigentümer und Geschäftsführung auf Finanzierungsziele und -regeln verständigen, verschafft dies Klarheit und Orientierung über die Finanzierung bei sich verändernden Rahmenbedingungen.
Obwohl es kein einheitliches Verständnis dafür gibt, was „Corporate Governance“ bedeutet, kann der Begriff als Gesamtheit an Vorschriften und Grundsätzen verstanden werden, die Unternehmen für sich bestimmt haben und nach denen diese geführt und überwacht werden. Insofern werden im Rahmen der „Financial Governance“ Finanzierungsrichtlinien und Kriterien für Unternehmen festgelegt und klar geregelt. Ohne diese Regeln befinden sich Unternehmen häufig im Blindflug und agieren mit Blick auf ihre Finanzierung eher reaktiv.
Studie zu Finanzierungssituation in Familienunternehmen
Wir haben Familienunternehmen in Deutschland gemeinsam mit der INTES Akademie im Rahmen einer Studie ausführlich zu Ihrer aktuellen Finanzierungssituation befragt. Eines der wichtigsten Ergebnisse lautet: erst 20% der befragten Unternehmen verfügen über schriftlich fixierte Finanzierungsregeln, obwohl dies für Klarheit, Transparenz und mehr Zufriedenheit sorgt.
Erst jedes fünfte Unternehmen hat damit seine Finanzierungsziele und -strategie im Sinne einer Financial Governance klar geregelt. Von allen anderen befragten Unternehmen planen lediglich 12,4 Prozent die Erarbeitung eines solchen Handbuchs.
Das Ergebnis der Umfrage zeigt also, dass die Financial Governance meist nicht integraler Bestandteil der Inhaberstrategie von Familienunternehmen ist. Dabei kann es sicherlich keine Einheitsempfehlung für jedes Familienunternehmen geben. Mitunter ist ein Finanzierungshandbuch auch schlicht nicht umsetzbar. Dennoch sollten inhaltliche Maßstäbe festgelegt werden, die eine verlässliche Beurteilung der Qualität der von der Unternehmerfamilie festgelegten Kriterien erlauben.
Ein Blick auf die großen, erfolgreichen deutschen Familienunternehmen wie bspw. Haniel oder Bertelsmann zeigt es deutlich: Diese Unternehmen haben klare finanzpolitische Ziele definiert, dies kann z.B. eine Ausrichtung am Rating des Unternehmens sein oder die Sicherung der Liquidität, das Begrenzen finanzwirtschaftlicher Risiken sowie der Optimierung der Kapitalkosten. Häufig werden dabei die Finanzierungsziele an bestimmte Kennzahlen gebunden wie bspw. das Verhältnis der Netto-Finanzverbindlichkeiten zum Betriebsergebnis (EBITDA), der Nettoverschuldung zum Eigenkapital oder auch der Eigenkapitalquote. Die Einhaltung der Kennzahlen innerhalb bestimmter Bandbreiten und Korridore hat das Ziel einer kontinuierlichen Entschuldung sowie einer anhaltenden Bankenunabhängigkeit.
Finanzierungshandbuch
Ein hilfreiches Instrument im Rahmen der Financial Governance ist ein Finanzierungshandbuch. Inhaltsschwerpunkte eines solchen Handbuchs sollten die Finanzierungsziele und -strategie des Unternehmens sein. Diese sind eng mit den Zielen und der Strategie der Unternehmerfamilie und natürlich auch des Unternehmens abzugleichen und in Einklang zu bringen. Folglich entsteht ein strategischer Leitfaden, aus dem sich der operative Handlungsrahmen für den Finanzierungsbereich ableitet und damit Klarheit und Berechenbarkeit des Handelns gegenüber der Familie, dem Aufsichtsrat, Kunden und Mitarbeitern schafft.
Die Erstellung eines Finanzierungshandbuchs sollte dabei unter Einbindung des Managements sowie der Eigentümer des Unternehmens erfolgen. Insbesondere der Chief Financial Officer (CFO) ist oberster Vertreter der Controlling-Funktion und prädestiniert für die Verrichtung von Governance-Aufgaben.
Ein weiterer wichtiger Aspekt eines solchen Finanzierungshandbuchs besteht in der Kommunikation mit externen Kapitalgebern. Ein informationsbereiter, offener und transparenter Partner schafft Vertrauen und mindert das Risiko: Eine fehlende oder nicht bekannte Information wird häufig als schlechte Information gewertet. Bestehen zudem bei Bankfinanzierungen Financial Covenants, also bestimmte Zusicherungen eines Kreditnehmers während der Kreditlaufzeit, muss sich eine Ausrichtung der Financial Governance auch an diesen Zusicherungen orientieren. Idealerweise verzichten aber die Banken bei Vorlage einer für das Unternehmen und deren Eigentümer, verbindlichen und glaubwürdigen Financial Governance gänzlich auf die Forderung und Vereinbarung von Covenants. Dies ist insbesondere dann der Fall, wenn die Einhaltung der internen Finanzierungsregeln nach strengen Kriterien erfolgt und jegliche Abweichung der Zustimmung und Freigabe durch Inhaberfamilie und Beirat bedarf.
Fazit: Financial Governance ist integraler Bestandteil einer ganzheitlichen Inhaberstrategie zur Sicherung der Unabhängigkeit von Familienunternehmen.