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Mythos Eigenkapitalquote

André Knöll
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Alle schauen auf die Eigenkapitalquote, die seit langem als zentrales Kriterium bei Finanzierungen gilt. Aber ist das eigentlich gerechtfertigt und zeitgemäß? Dabei gibt es wichtigere Steuerungsgrößen für Familienunternehmen!

„Wir haben eine gute Eigenkapitalquote, daher sehen wir uns gut aufgestellt.“ oder „Warum sollte unsere Bank einen Finanzierungswunsch verweigern, solange wir eine so gute Eigenkapitalquote haben?“

So oder ähnlich lauten oft gehörte und weit verbreitete Sicht- und Interpretationsweisen zur viel diskutierten und am meisten überschätzten Finanzkennzahl von Familienunternehmen. Die Meinungen sind in vielen Fällen sicherlich zutreffend, gleichermaßen aber ambivalent und vor allem naiv.

Die Diskussion um das „richtige“ Maß an Eigenkapital beschleunigte sich vor etwa 20 Jahren rund um die Einführung von „Basel II“. Der Terminus bezeichnet einen Satz von Eigenkapitalvorschriften, die vom Basler Ausschuss für Bankenaufsicht vorgeschlagen wurden, um Banken – und nicht Familienunternehmen – mit einem Mindestmaß an Eigenkapital auszustatten. In dem Zusammenhang verbreitete sich der Vorwurf, die Eigenkapitalquote im deutschen Mittelstand sei zu schwach, führe daher zu schwächeren Kreditbonitäten und erschwere somit den Zugang zu Fremdkapital. Obwohl etliche Studien belegen, dass sich diese Kennzahl seitdem deutlich verbessert hat, ist sie immer noch im Mittelpunkt zahlreicher Diskussionen.

Ausdruck von Stabilität

Technisch gesehen ist diese Kennzahl ein einfacher Dreisatz, der das Eigenkapital des Unternehmens ins Verhältnis seines Gesamtkapitals setzt. Eine hohe Eigenkapitalquote ist dabei Ausdruck von Stabilität und spiegelt die Fähigkeit, Krisen besser meistern zu können. Sie gilt meist als Synonym hoher Kreditwürdigkeit. Eine hohe Eigenkapitalquote ist dabei in vielen Fällen das Ergebnis von langfristig erfolgreichem Unternehmertum mit hohen Überschüssen verbunden mit einem Verzicht auf Ausschüttungen. Nicht mehr, aber meist auch nicht weniger. Denn der Ausweis des Eigenkapitals kann mittels bilanzpolitischer Maßnahmen manipuliert werden. So führen die Nutzung von Instrumenten wie Leasing oder Factoring zu einer vergleichsweise höheren Eigenkapitalquote als bei Unternehmen, die auf diese Instrumente verzichten.

Ein ehrlicher Umgang mit dieser Kennzahl setzt voraus, dass sämtliche „off-balance“-Effekte bei der Berechnung bereinigt werden. Nach der Neutralisierung dieser Sondereffekte sollte die Eigenkapitalquote mindestens 30% betragen. 

Aus Bankensicht hat die Eigenkapitalquote von Kreditnehmern eine unverändert hohe Relevanz. So werden vertraglich oft „Financial Covenants“ vereinbart, wonach die Geldgeber ein außerordentliches Kündigungsrecht erlangen, wenn die Kennzahl einen Mindestwert zu einem Stichtag unterschreitet. Dieser Mindestwert liegt oft bei  eben diesen 30%. Ebenso relevant ist die Eigenkapitalquote in den bankinternen Ratingsystemen. Hier steht sie jedoch neben zahlreichen anderen Kennzahlen und hat bei der Kalkulation des Ausfallrisikos einen Einfluß von nicht mehr als 15%.

An dieser Stelle können wir festhalten, dass unsere Eigenkapitalquote unverändert relevant ist, sie ist aber vor allem vergangenheitsbezogen, manipulierbar, nicht eindeutig definierbar.

Liquidität ist King

Dem Grundsatz „Equity is an opinion – cash is fact“ folgend, sollte das Augenmerk daher auf relevantere Parameter für Stabilität und Bonität gelegt werden. Die Eigenkapitalquote der Vergangenheit zahlt nämlich keinen Cent auf künftige Ausschüttungen oder die geplanten Investitionen und schon gar nicht auf die Tilgung von Darlehen. Dies alles erfolgt primär aus der frei verfügbaren Liquidität. Reichen diese Mittel nicht aus, dann aus weiteren Reserven wie freien Kreditlinien oder sogar aus den Barreserven in der Gesellschaftersphäre.

Finanzielle Unabhängigkeit und Stabilität eines Familienunternehmens leiten sich primär aus der Fähigkeit ab, allen Zahlungsverpflichtungen jederzeit und problemlos nachkommen zu können. Die zentrale Frage lautet daher nicht, ob die Eigenkapitalquote hoch genug ist, sondern ob ein Unternehmen durchfinanziert ist, also über ausreichend freie liquide Mittel bzw. über einen ungehinderten Zugang zu Liquiditätsreserven verfügt. Als Kennzahl hierfür kommt die Liquiditätsreichweite in Betracht. Auch die Ausschüttungspolitik sollte sich nicht primär an der Eigenkapitalquote orientieren, sondern an der Fähigkeit des Unternehmens, die Auszahlung aus freien liquiden Mitteln vornehmen zu können. 

Insbesondere sollten Familienunternehmen ihre Fähigkeit zur Aufnahme von Fremdmitteln definieren. Dabei geht es um die Frage, welche Kredithöhe nicht überschritten werden sollte. Als geeignete Kennzahl hat sich hierfür die Verschuldungskapazität etabliert. Sie beschreibt, wie hoch das zinstragende Fremdkapital ist, dass ein Unternehmen auf Basis des operativen Cashflows innerhalb eines überschaubaren Zeitraums bedienen kann. Eine freie, ungenutzte Verschuldungskapazität kann als Polster verstanden werden, die im Bedarfsfall von Fremdkapitalgebern auch zur Verfügung gestellt wird. 

Familienunternehmen sind dann unabhängig finanziert, wenn sie über einen positiven Liquiditätsgrad, eine hohe Liquiditätsreichweite, eine stabile Fristenkongruenz verfügen und über eine freie Verschuldungskapazität verfügen.

Neue Chancen, neue Finanzierung

Eigenkapital ist hingegen mindestens in der Höhe vorzuhalten, was von fremden Dritten eben nicht finanziert wird. Ein Unternehmen, das dauerhaft keinen positiven Cashflow erwirtschaftet, wird kein Fremdkapital bekommen und müsste folglich durch Eigenkapital finanziert werden müssen, so die Eigentümer das Unternehmen denn erhalten wollen.

Eine hohe Eigenkapitalquote ist das Ergebnis guten Wirtschaftens, nicht aber zwangsläufig deren Ursache.

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